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Ein DDR-Zeitzeuge berichtet über seine Zeit in der DDR

Im ersten Halbjahr der J2 behandelten wir im Unterricht den Kalten Krieg und die Teilung von Deutschland. Die Rolle der DDR schauten wir uns somit auch an. Unsere Schule organsierte dazu einen Vortrag von einem Zeitzeugen aus der DDR. Dieser hielt keinen Vortrag, sondern nahm uns auf eine Zeitreise über das Leben und seine nicht ganz freiwillige Flucht aus der DDR mit.

Mike Michelus wurde 1966 geboren und wuchs nur mit seiner Mutter auf, da seine Eltern sich scheiden lassen hatten. Seine Mutter war sehr beschäftigt und er selbst wurde hauptsächlich von seinen Lehrern erzogen. Somit wurde er stark kommunistisch geprägt und war auch in der FDJ (FDJ steht für „Freie Deutsche Jugend“ und war die offizielle Jugendorganisation der DDR) und im GST (GST steht für „Gesellschaft für Sport und Technik“ und war eine Organisation in der DDR, die sich offiziell mit der Förderung von Sport und Technik befasste, jedoch eigentlich die Jugendlichen für den 3. Weltkrieg vorbereiten sollte). Im Sportunterricht lernte er, wie er Granaten wirft und wie man mit Waffen umgeht.

Nach einer guten Schullaufbahn bis zur achten Klasse wurde ihm erlaubt, Abitur zu machen. Dies nahm er auch an, weil er noch keine genauen Zukunftspläne hatte. Während der Jahre bis zum Abitur kam die Phase der Ernüchterung. Nachdem das südkoreanische Passagierflugzeug „Major Gennadij Nikolajewitsch Osipowitsch“ abgeschossen worden war und man sowjetische Kampfpiloten als Urheber verdächtigte, beharrten die Lehrer zuerst darauf, dass dies eine Lüge sei. Nachdem die Regierung es aber zugegeben hatte, mussten die Lehrer ihre eigenen Worte zurücknehmen und stellten das Flugzeug als Spionageflugzeug da. Mike wurde langsam klar, dass die DDR nicht so gut ist, wie sie sich gibt. Das Ereignis, das Mike Michelus komplett überzeugte, war das Verbot eines Theaterstücks, das er und seine Klasse vorspielen wollten. Das Theaterstück bestand ausschließlich aus Zitaten von ausgesprochenen Kommunisten, diese wurden damals als „Helden“ angesehen.

Mike überlegte also „Wenn man seine Helden nicht zitieren darf, muss etwas falsch sein.“ Für ihn war ab diesem Moment klar, er würde das Abitur nicht fertig machen und er wartete nur noch auf die richtige Gelegenheit, es abzubrechen.

Mike suchte nach einem neuen Sinn im Leben. Wenn der Kommunismus, für den er gelebt hat, falsch ist, was sollte er dann machen? Seine Entscheidung fiel auf den Umweltschutz. Dies war ein eher problematisches Thema in der DDR. Es hieß, die DDR habe keine Umweltverschmutzung. Jegliche Umweltverschmutzung komme vom Westen über die Luft. Das wollte er nicht so hinnehmen und machte seine eigenen Untersuchungen an Seen und verteilte Flugblätter, immer darauf bedacht, nicht erwischt zu werden. Gleichzeitig kam Mike immer mehr mit der Punk-Szene in Berührung, die darauf aus war, anders zu sein. Er selbst äußerte dies mit dem Versuch, sich die Haare zu färben, was ein eher kläglicher Versuch war. Später erfuhr er, dass dies von seinen Lehrern dokumentiert wurde und er als „gefährlich“ eingestuft wurde.

Wenige Wochen vor dem Abitur brach er die Schule ab. Gleichzeitig zog er von zuhause aus zu einem Freund. Er kam in dieser Zeit nach seinem Auszug viel rum und lebte mal hier mal dort. Irgendwann landete er bei einer jungen Frau namens Jenny. Sie plante eine Aktion, die beinhaltete, sich mit weiß geschminktem Gesicht hinzusetzten und die offizielle Zeitung „Neues Deutschland“ in der Fußgängerzone auf dem Boden sitzend zu lesen. Mike hatte nichts Besseres zu tun und machte einfach mit. Für diese Aktion wurden sie verhaftet, da sie einen Beamten davon abgelenkt hatten, seinen sonstigen Aufgaben nachzugehen. Nach drei Monaten Vernehmung wurde Mike zu einem Jahr und drei Monaten Haft verurteilt.

Irgendwann stellte er einen Ausreiseantrag, in Folge dessen er von der BRD freigekauft wurde. Dies hatte er gar nicht vor, er wollte eigentlich nur seine Grenzen austesten, aber nicht ausreisen. In der BRD wurde er aber herzlich empfangen und fand schnell eine Ausbildung und Arbeit. Für ihn ist alles gut ausgegangen. Mike beendete seine Zeitreise mit einem Appell an uns alle: „Habt eure Meinung, aber seid immer froh, diese auch äußern zu dürfen.“

Florian Ruffner, J2

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